Markenvergleich: Schweiz vs. Österreich

Damit die Konfitüre nicht ausgeht.

Wie Emotionen als Schlüssel zu einer (Winter-)Tourismus-Revolution in der Schweiz genutzt werden können. Beim Gast. Und in der Bevölkerung.

"Solange sich der Welcome Drink im Hotel nicht von dem des Nachbarhotels unterscheidet, bleibt er ein reiner Kostenfaktor."

Philipp Zutt, ZUTT & PARTNER

Philipp Zutt

 

Hauptbahnhof Zürich, ein Wintermorgen, Workshop über den Gleisen – es war wohl ca. um halb neun, als einer unserer obersten Schweizer Touristiker den Satz sagte, der mich nicht mehr losliess: „Wisst Ihr, wir Tourismusanbieter gehen Jahr für Jahr in unsere Keller und stellen fest, dass es noch genug Konfitüre hat. Es wird zwar weniger, aber wir werden wie all die Jahre zuvor wohl auch dieses Mal wieder über die Runden kommen.“

 

Illustration der Kellerreserven

Als Fan unserer Schweizer Natur, als Mensch, der erst mit 18 Jahren das Meer zum ersten Mal gesehen hat, weil vorher immer Schweizferien angesagt waren und als Gast, der es noch heute schätzt, im Inland immer wieder Neues zu entdecken – und ja, bereit ist, dafür auch einen höheren Preis zu zahlen – beunruhigte mich dieser Satz. Unvermittelt kam mir die „Mäusestrategie für Manager“-Parabel (Who moved my cheese) in den Sinn. Darin leben zwei Mäuse und zwei Zwerge frischfröhlich von einem riesen Berg Käse. Die Mäuse halten sich tagtäglich fit und suchen – trotz grossem Käsevorrat – nach neuen Käselagern. Die Zwerge erschrecken, bedauern sich und blasen Trübsal als der Käse alle ist. Erst als die Situation komplett ausweglos ist, macht sich der eine Zwerg auf die – dann harte – Suche nach neuem Käse.

Ob Käse oder Konfitüre, fest steht, dass in Sachen Keller-Füllen im Schweizer Tourismus insgesamt – löbliche Ausnahmen ausgenommen – zu wenig geht. Das tut weh. Betrachtet man andere Branchen, die sich zu wenig um ihre Zukunft gekümmert hatten (z.B. die Musikbranche) und wie diese von disruptiven Innovationen regelrecht weggeputzt wurden, wird aus Wehmut sogar Angst.

Angst ist bekanntlich eine Emotion, die im Hirn entsteht, wenn etwas Bedrohliches, oft Ungewisses auf einen zukommt. Der Körper reagiert mit lauter Reaktionen, die uns befähigen, auf das auf uns Zukommende zu reagieren – Energie wird bereitgestellt, die Herzfrequenz wird erhöht, Muskeln werden angespannt usw. Es gilt also zu reagieren, aktiv zu werden, die Kontrolle über die Situation selbst wieder zu übernehmen.

Aus Marketingsicht gibt es genau zwei Handlungsebenen:
1. Welches Erlebnis schaffe ich für meine Kunden? Wichtiger als jede klassische Marketingkampagne, Image-Werbung und Initiative von Dachorganisationen ist ein emotional profilierendes und echt differenzierendes Erlebnis für den Gast vor Ort. Und zwar durchgängig wie ein roter Faden von Touchpoint zu Touchpoint. Und am besten über alle Sinne. Solange sich der Welcome Drink im Hotel nicht von dem des Nachbarhotels unterscheidet, bleibt er ein reiner Kostenfaktor. Solange sich Unternehmensvisionen und -Leitbilder von Tourismusorten und -Unternehmen problemlos austauschen lassen, muss man sich nicht wundern, wenn einem nur der hohe Preis in Erinnerung bleibt. Liebe Touristiker, lasst uns selbst disruptiv werden, unsere Tourismusdienstleistungen – wie anno dazumal als alles begann mit dem Wintertourismus – pionierhaft neu denken! Mit einem (neuen) Kundenerlebnis im Zentrum.

2. Dazu brauchen wir die besten Köpfe. Auch wie anno dazumal. Die sogenannten Tourismuspioniere, die wir heute feiern, waren mutig, genial und weitsichtig. Sie machten sich auf, neuen Käse zu finden. Mit Begeisterung und Leidensbereitschaft. Dass wir uns richtig verstehen, unter dem starken Franken auszuharren und zu leiden, ist auch Leiden und nicht etwa lustig. Das Leiden der Pioniere ist aber erfolgsversprechender. Es gilt also, auch die Emotionen der Bevölkerung zu bewegen, damit sie neue Pioniere hervorbringt und neue Pioniere stützt. Die Bevölkerung muss freiwillig aktiver Teil des Tourismus sein, sie trägt so direkt und indirekt zum Punkt 1, dem Gäste-Erlebnis, bei.

Emotionen lassen sich messen. Und Emotionen lassen sich lenken. Die Neurologie hat uns in den letzten Jahren nötiges Wissen zur Verfügung gestellt. Es lohnt sich, die neuen Werkzeuge zu nutzen und den Schweizer (Winter-)Tourismus neu zu erfinden. Oder besser, für den Gast neue Winterferien zu entwickeln, die ihn begeistern, den Preis vergessen lassen und ihn dazu verleiten, in aller Welt positiv darüber zu berichten. Lasst uns, statt in den Keller in die Küche stehen und neue Konfitüre-Kreationen machen!

Philipp Zutt ist Dozent an verschiedenen Hochschulen sowie geschäftsleitender Partner und Delegierter des Verwaltungsrats der ZUTT & PARTNER AG. Das in Wolfhausen im Zürcher Oberland ansässige Unternehmen berät nationale und internationale Kunden bei der professionellen und auf Wissenschaft basierten Emotionalisierung von Produkten, Marken und Kundenerlebnissen.

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