Markenvergleich: Grüne vs. SVP
Parteien zielen auf das schnelle Denken ab.
Verhaltensökonomie-Experte Andreas Staub, CCO und Managing Partner bei FehrAdvice, zu den Wahlen 2015.
«Interessanterweise ist es mir noch nie passiert, dass ich an die Urne ge-nudged* wurde.»
Andreas Staub, CCO und Managing Partner FehrAdvice
Ja, erfolgreiche Parteien zielen tatsächlich auch auf das schnelle Denken ab, wo Emotionen eine wichtige Rolle spielen. Etwas umfassender bietet sich aus verhaltensökonomischer Sicht speziell das Konzept der Identität an. Der Vergleich zur Markenidentität ist durchaus erwünscht, wobei die Verhaltensökonomie komplementär die Sicht des Menschen einnimmt. Wir sprechen hier von den wichtigsten Verhaltenstreibern wie den Werten, Normen, Präferenzen und Gewohnheiten. Diese spielen nicht nur im Konsumverhalten, sondern auch bei der politischen Orientierung und der Werthaltung bei Sachentscheidungen eine grosse, evidente Rolle. Genau diese Entscheidungen sind ja im Vergleich zur Parteiidentifikation weniger ausgeprägt und noch stärker resp. speziell kurzfristiger beeinflussbar. Die Wähler-Identität prägen ist demnach so etwas wie das strategische Ziel von Parteien. Je grösser diese ist, desto „loyaler“ dürfte das Wählerverhalten sein.
Die grundsätzliche Kooperationsbereitschaft in der Schweiz ist hoch. Wir können davon ausgehen, dass es nebst den rund 10% altruistisch veranlagten Menschen rund 60-70% bedingt kooperative Menschen gibt. Diese lassen sich durch entsprechende Vorleistungen aktivieren. Wirklich egoistisch veranlagt ist nur die Restmenge von ca. 20-30%. Dies sind wesentliche Erkenntnisse für sämtliche Themen, in denen es um Change geht: Die grosse Mehrheit macht mit!
Es ist jedoch zu kurz gegriffen, wenn wir nur die Kooperationsbereitschaft der Schweizer Bürger anschauen. Wesentlich ist auch, wie Wähler die Kooperationsfähigkeiten der Parteien einschätzen. Meines Wissens wurde weder die Kooperationsbereitschaft mit den Parteien resp. der Glaube, wie hoch man die Kooperationsbereitschaft der Parteien einschätzt, gemessen. Dies wäre sehr spannend und für die Parteien und ihre Strategien eigentlich sehr entscheidend!
«Verhaltenstreiber wie Werte, Normen, Präferenzen und Gewohnheiten spielen auch bei der politischen Orientierung eine grosse Rolle.»
Andreas Staub, CCO und Managing Partner FehrAdvice
Kommt es auf meine Stimme an? Ist das den Aufwand wert? Vielleicht geht es Ihnen gleich … Ich höre am Abstimmungswochenende meine innere Stimme diese Fragen stellen, wenn ich vergessen habe, per Post abzustimmen. Wie auch immer die Antwort übrigens ausfällt, mein Entscheid wird wenig rational sein. Interessanterweise ist es mir noch aber nie passiert, dass ich in diesem Moment auf die emotionale Dringlichkeit hingewiesen und an die Urne ge-nudged* wurde.
Es ist tatsächlich herausfordernd, zusätzliche Stimmen zu aktivieren, zumal es doch einige Beschränkungen gibt, die Stimmbeteiligung (und speziell die Wahl per se) mit Anreizen zu erhöhen. Will man grundsätzlich die Stimmbeteiligung erhöhen, kann man als Staat eine Lotterie einführen (jeder gültige Wahlzettel ist ein Los) oder andererseits eine Strafe für die Nicht-Teilnahme aussprechen. Bekannt sind auch Aktionen, in welchen man „free food“ anbietet. Diese Beispiele zeigen, dass es als einzelne Partei auf diesem Weg schwierig ist (auch: Legalität), ihre Wähler zu aktivieren.
Ein übergeordneter, alternativer Weg zu solchen Incentives führt ökonomisch über die Reduktion der Kosten, indem man z.B. nicht mehr den Weg bis zur Urne gehen muss. Ob postalische Stimmabgabe heute oder eVoting morgen die Stimmbeteiligung erhöhen, ist allerdings umstritten. Rein rational gesehen müsste dieser Effekt allerdings positiv sein!
Aus Sicht der Verhaltensökonomie sind Anreizwirkungen erfolgsversprechender, wenn sie darauf zielen, das Engagement und Involvement – also Emotionen – zu erhöhen. Das kann über einen Social Proof wie z.B. etwas vereinfacht einem „I Voted-Sticker“ geschehen oder der Erwartung, dass eine Rekordbeteiligung zu erwarten ist („a record turnout is expected“). Erwartungen, dass andere abstimmen werden, scheint eine echte Motivation zu sein, es auch zu tun. Evident nachgewiesen hat man im Zusammenhang mit dem Involvement auch den unterschiedlichen Effekt der Kommunikation: „Es ist wichtig, stimmen zu gehen!“ hat eine deutlich tiefere aktivierende Wirkung als „Es ist wichtig, dass DU abstimmen gehst!“
In der heutigen Zeit scheint es mir unvernünftig zu sein, auf Evidenz zu verzichten. „Data driven politics“ ist eine Tatsache – in der Verhaltensökonomie sprechen wir aber bevorzugt von Smart Data als Big Data. Das systematische Lernen aus Daten ist nicht den Unternehmen vorbehalten! Weil wir wissen, dass sich Menschen systematisch bedingt rational verhalten, lassen sich diese Erkenntnisse auch systematisch in Lösungen ummünzen. Die in der Zwischenzeit bekannten Nudge*-Units (GB, USA) sind interessante Entwicklungen auf Staatsebene. Verhaltensökonomie kann aber mehr als „stupsen“. Wie ich einleitend schon bemerkt habe würde ich als Parteivorsitzender die Identität meiner Partei und meiner (Nicht)Wähler und deren wesentlichen Verhaltenstreiber genau kennen und deren Wahlverhalten aktiv zu meinen Gunsten beeinflussen wollen.
*Ein Nudge (engl. für Stups oder Schubs) ist eine Methode, um ohne Verbote oder Befehle das Verhalten von Menschen zu beeinflussen.
Andreas Staub ist Absolvent der Universität Zürich in Volkswirtschaftslehre und hat über 15 Jahre Managementerfahrung im Banking. Für verschiedene Themen (Retail Banking, Strategie, Corporate Governance u.a.) ist er Dozent und Prüfungsexperte an diversen Fachhochschulen (Swiss Finance Institute, IFZ Finanzdienstleistungen Zug). Er ist Managing Partner und Chief Communication & Business Development Officer von FehrAdvice & Partners AG.